Patricia from Switzerland

 

Erster Besuch bei Transpersona

 

"Vielleicht werden sie mich ja beissen!" war lange Zeit eine billige Ausrede, um nicht bei der Gruppe von TP vorbeizuschauen. Das sollte sich nun ändern... 


Schon Wochen vorher hatte ich meinem Kollegen spasseshalber "angedroht", wir sollten beim nächsten Monatstreffen einfach mal dabei sein. Doch dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht im entferntesten daran, diese Idee wirklich in die Tat umzusetzen. Und je näher der tatsächliche Termin kam, um so mulmiger wurde es mir beim Gedanken daran. Doch vielleicht war die Zeit nun reif, sich der Situation zu stellen, sich dem Schicksal zu stellen... 

Sonntag davor: Drei Tage vor dem "grossen" Mittwochabend fingen die Gefühle an total verrückt zu spielen. Einerseits war der Wunsch da, mal hinzugehen und die Reaktionen zu erleben. Andererseits aber die Furcht, nicht angenommen zu werden, sich zu blamieren, oder dass etwas (was auch immer) schief gehen könnte. Ich brauchte eine moralische Stütze, Argumente. Dann schaltete sich mein gesunder, nüchterner Menschenverstand ein und ich sagte mir: "Du bist erwachsen genug, und wenn's dir wirklich nicht passt, kannst du ja immernoch aufstehen und davonlaufen. Zu verlieren hast du nichts!" Zudem muss man sich um sein Image wirklich keine Sorgen machen, das tun doch schon die anderen... 

Früher Mittwochnachmittag: Im Geschäft plagen mich die Gedanken und der Druck im Bauch macht sich ungemütlich bemerkbar. Ich habe meinen Kollegen (der mich begleiten wird, allerdings nicht en femme) angerufen und gefragt, ob wir das ganze nicht abblasen sollen. Doch der meint, ich solle heute unbedingt dorthin gehen. Denn wenn ich heute nicht hinginge, würde ich gar nie mehr hingehen. Und damit hat er nicht unrecht... 

Später Mittwochnachmittag: Obwohl ich früher vom Geschäft heimging und gleich mit den Vorbereitungen begonnen habe, war die Zeit sehr knapp bemessen. Um sieben Uhr sollte ich bereits mit dem Auto abgeholt werden. Also ging's los mit duschen, rasieren, schminken und anziehen. Zum Glück hatten wir bereits am Sonntag das Outfit für diesen Abend ausgesucht, sonst wäre eine zusätzliche halbe Stunde nötig gewesen. Kurz nach sieben dann noch schnell die Handtasche füllen, Schlüssel packen und raus in die kühle, dunkle Nacht... 

Abends vor dem Lokal: Beim Parkieren kamen die Zweifel in konzentrierter Form wieder über mich. Sollen wir es jetzt wagen? Oder lieber wieder umkehren? Bin ich auch perfekt geschminkt? Sitzen die Kleider richtig? Habe ich nicht irgendwas vergessen? Meine Hände waren eiskalt und ein Wechselbad der Gefühle wie vor einer grossen Prüfung oder einem Vortrag machte mir zu schaffen. Vor uns stieg eine Frau aus dem Auto, dem Aussehen nach auch jemand von TP. Immerhin war ich also heute nicht die einzige. Wie tröstlich...

Also los! Wir stiegen aus dem Auto, gingen mit schnellen Schritten ins Haus, die Treppe hoch und bewegten uns möglichst still und unauffällig in den Raum. Am Tisch sassen bereits etwa sechs Damen, welche uns kaum Beachtung schenkten. Also setzten wir uns auch brav in eine Ecke und warteten mal ab. Nach und nach tröpfelten dann immer mehr Leute in den Saal und es dauerte nicht lange, bis jemand auf uns zu kam und sich vorstellte. Dummerweise kann ich mich (der grossen Aufregung wegen) nicht mehr an all die Namen erinnern, doch wir wurden sehr nett begrüsst und über den Ablauf des Abends informiert. Immerhin weiss ich noch, dass sich Nadia, Petra und Claudia zu uns an den Tisch setzten. Mit der Zeit kamen immer mehr MitgliederInnen dazu, stellten sich vor und verteilten sich zusehend im Raum. Schlussendlich waren es an die vierzig Leute(!).

Pünktlich um neun begann dann die eingeladene Psychologin Christa Gubler mit ihrem zweistündigen Vortrag über Sexualität. Es war ein interessanter Vortrag mit anschliessender Diskussion, obwohl ich wegen der Anspannung und Nervosität gar nicht alles mitbekommen konnte. Ich war irgendwie wie in Trance. 

Die Tage danach: Komischerweise ist mir erst in den nachfolgenden Tagen bewusst geworden, was ich erlebt hatte. Erst eine Woche später realisierte ich, dass ich über meinen eigenen Schatten gesprungen war, meinen inneren Widerstand überwunden hatte. Und heute bin ich wirklich sehr stolz darauf. 

Fazit: Es war ein sehr positives Erlebnis. Was mich am allermeisten erstaunt und erfreut hat, war die Tatsache, dass die MitgliederInnen so vorbehaltlos und ohne schräge Blicke mit dir reden konnten. Man/frau wird als Mensch wahrgenommen und es fühlt sich an, als sei dein Auftritt in deiner Rolle das Selbstverständlichste der Welt. Und weil ja alle "im gleichen Boot" sitzen, fühlt man/frau sich dadurch auch sicherer und im Gespräch ernst genommen.

Etwas schockiert hat mich hingegen die direkte Offenheit, wie über gewisse Dinge geredet wurde. Ich bin es mir (in meiner isolierten Welt?) nicht gewohnt, die Dinge so zu benennen wie sie heissen. Zum Beispiel Begriffe wie Transvestit oder auch sexuelle Themen (vom Vortrag) umschreibe ich meist mit Fantasiewörtern, weil es dann für mich einfacher ist, darüber zu reden. Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.

Mit Sicherheit möchte ich wieder hingehen. Die Menschen haben einen sehr positiven und lieben Eindruck auf mich gemacht. Doch wenn ich ans nächste Treffen denke, beginnt sich wieder dieses elende Magendrücken, diese Mischung aus Nervosität und Furcht, zu melden. Doch ich hoffe schwer, dass dieses Angstgefühl nach ein paar Besuchen der Vergangenheit angehört.

Heute bin ich stolz und erfreut, dort gewesen zu sein!

Ich bereue es trotzdem nicht, schon früher hingegangen zu sein. Denn früher hatte ich es einfach als richtig empfunden, nicht dabei zu sein und ich akzeptiere meine frühere Einstellung. Vermutlich war ich einfach noch nicht soweit und die Zeit war noch nicht reif. 

... die Damen von Transpersona beissen also doch nicht!

 

 

Ende November 2000

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